Von Hundehaufen bis Leinenzwang: Viele Regeln für Hundehalter sind durch Gesetze und Verordnungen geregelt.
Wofür der Hundehalter haftet
Auch im Auslaufgebiet ist nicht alles erlaubt. Es gilt immer das Grundgebot gegenseitiger Rücksichtnahme. Hunde dürfen nicht bedrohlich auf Spaziergänger zurennen. Passiert etwas, greift in der Regel die Gefährdungshaftung. Dieser juristische Fachbegriff bedeutet, dass derjenige, der ein Risiko schafft, auch dafür haftet, wenn es sich verwirklicht.
Halter haftet für typische Unwägbarkeiten
Hunde stellen per se eine Gefahr dar, weil Tiere nie hundertprozentig berechenbar sind, sondern immer eine kleine Restunsicherheit bleibt. Diese Haftung ist verschuldensunabhängig. Sie greift also auch, wenn der Hundehalter gar nichts falsch gemacht hat und man ihm nichts vorwerfen kann. Tierfreunde können nicht erwarten, dass alle anderen Menschen – egal ob Tierhalter oder nicht – sich hundegerecht verhalten oder dass jeder Laie weiß, was überhaupt hundegerechtes Verhalten ist (Bayerischer Oberverwaltungsgerichtshof, Az. 10 ZB 14.688).
Der Klassiker: Hunde und Jogger
Besonders haftungsträchtig ist die Begegnung von Hund und Jogger. So bekam ein Läufer Schadenersatz, der sich von einem nicht angeleinten Hund bedroht fühlte, das Tier abwehren wollte und dabei stürzte. Bei dem Sturz riss die Sehne unter dem Kniegelenk ein, der Mann musste operiert werden. Der Halter des Hundes war nicht in Sichtweite. Er fand aber die Abwehr des Joggers unnötig und wollte nicht für den Schaden haften. Das Oberlandesgericht Koblenz verurteilte ihn zum Schadenersatz, weil er gegen die örtliche Gefahrenabwehrverordnung verstoßen hatte, indem er seinen Hund im Wald frei laufen ließ, ohne ihn selbst noch sehen zu können (Az. 1 U 599/18). Aber auch Jogger müssen Rücksicht nehmen. Als ein Sportler stur an einem Hund vorbeilief, der sich dann aber plötzlich auf ihn zubewegte, sodass der Läufer stürzte, musste der Halter zwar aufgrund der Gefährdungshaftung Schmerzensgeld zahlen. Das Oberlandesgericht Koblenz zog aber 30 Prozent davon ab. Der Jogger hätte anhalten oder seinen Lauf verlangsamen müssen, um sich nicht selbst zu gefährden (Az. 5 U 27/03).
In diesen Fällen gab es Schmerzensgeld
Und wenn der Hund Leute nur anbellt? Dann kommt es darauf an, wie bedrohlich er bellt.
Radunfall. Als ein Radfahrer vor Schreck hinfiel, weil ein Hund angestürmt kam und erst drei Meter vor ihm stoppte, musste der Halter 9 000 Euro Schmerzensgeld zahlen (Oberlandesgericht Brandenburg, Az. 12 U 94/07). Ähnlich entschied das Oberlandesgericht Nürnberg, als eine 86-Jährige stürzte. Ein Schäferhund war freudig schwanzwedelnd auf sie zugelaufen und hatte an ihrem Stock geschnuppert. Dass ältere Menschen erschrecken, damit musste der Halter rechnen: 7 500 Euro Schmerzensgeld (Az. 6 U 2394/90). Das Oberlandesgericht Koblenz hielt es dagegen für überzogen, dass ein Radfahrer gleich eine Vollbremsung hinlegte und stürzte, weil ein Hund auf ihn zulief: Dafür gab es kein Schmerzensgeld (Az. 12 U 1312/96).
Hundegetümmel. Rund 4 700 Euro Schmerzensgeld muss dagegen ein Hundehalter an eine Frau zahlen, die in einem Hundegetümmel stürzte und sich verletzte. Sein Hund war vom Grundstück gerannt, als eine Spaziergängerin mit zwei angeleinten Jack-Russel-Terrier dort vorbeiging. Bei der Begrüßung der drei Vierbeiner ging es wild zu, die Terrierbesitzerin wurde umgerissen und zog sich eine Radiuskopffraktur zu. Gute sechs Wochen war sie arbeitsunfähig. Der Halter des frei laufenden Hundes wollte zunächst kein Schmerzensgeld zahlen. Es sei unklar, ob die Frau wegen seines Hundes gestürzt sei oder weil sie sich in die Leinen ihrer eigenen Tiere verheddert hatte. In erster Instanz bekam er recht, doch das Oberlandesgericht Koblenz entschied anders: Der heranstürmende Hund hat das Getümmel ausgelöst, deshalb muss sein Halter zwei Drittel des Schadens tragen (Az. 12 U 249/18).
Nur mal streicheln – auf eigenes Risiko
Wer auf einen Hund zugeht, um ihn zu streicheln, muss selbst aufpassen. Das erklärte das Oberlandesgericht Celle einem Vater, dessen zehnjähriger Sohn gebissen wurde. Er wollte einen Münsterländer streicheln, den der Besitzer vor einem Laden angeleint hatte. Dass so etwas bei einem Tier passieren kann, muss jeder wissen, auch ein zehnjähriger Junge (Az. 22 Ss 9/02).
Wann Leinenzwang herrscht
„Der ist doch nur ganz klein“, wehrte sich Anke Klausmann, als die Frau vom Ordnungsamt resolut auf sie zukam. Die Berlinerin hatte ihrem Australian Terrier im Gleisdreieck-Park freien Auslauf gegönnt. Der kleine Hund, kaum 20 Zentimeter hoch, hatte sich immer nur ein kleines Stück von ihr entfernt, gehorchte auf Zuruf, bellte nicht und lief auch nicht auf andere Parkbesucher zu, schon gar nicht auf Kinder. Doch die Ordnungsfrau war unerbittlich: Sie kassierte 35 Euro Bußgeld wegen Verstoßes gegen den Leinenzwang.
Regeln je nach Bundesland unterschiedlich
Wo Hunde laufen dürfen und wo die Leine Vorschrift ist, dafür gibt es ganz unterschiedliche Regelungen, je nach Bundesland und Kommune. Wer verreist und zum Beispiel am Urlaubsort den Hund frei laufen lassen will, sollte sich vorher informieren.
Bissige Hunde müssen an die Leine
Behörden dürfen einen strengen Leinenzwang für einen Hund anordnen, wenn er einen Menschen gebissen hat. Dies hat das Verwaltungsgericht Göttingen im Fall eines Schäferhundes bekräftigt. Der Vierbeiner war beim Gassigehen einer Radfahrerin hinterhergerannt und hatte ihr ins Bein gebissen. Der Landkreis ordnete daraufhin an, dass zukünftig ausschließlich Erwachsene den Hund an einer maximal 1,5 Metern langen Leine führen dürfen. Der Hundehalter war davon überzeugt, dass der Biss ein einmaliges Fehlverhalten war und wehrte sich gegen die Anordnung. Das Verwaltungsgericht bestätigte jedoch den Leinenzwang für das Tier (Az. 1 B 3/21).
Länder und Kommunen können eigene Regeln erlassen
Manche Bundesländer verbieten dies grundsätzlich im Wald, zum Beispiel Baden-Württemberg im Landeswaldgesetz. Viele Städte schränken den freien Auslauf weiter ein. In Berlin ist es in öffentlichen Grünanlagen gemäß Grünanlagengesetz verboten, Hunde frei laufen zu lassen, sie auf Kinder-, Ballspielplätze und Liegewiesen mitzunehmen oder in Gewässern baden zu lassen. Einige Städte schreiben Leinenpflicht sogar in der gesamten Innenstadt vor. Sie greift oft zusätzlich in öffentlichen Gebäuden, im Umkreis von Schulen und Kindergärten sowie überall dort, wo viele Menschen sind: in Fußgängerzonen, auf Volksfesten und Märkten. Einige Städte, Hamburg beispielsweise, verbieten es, Hunde auf Wochenmärkte oder Volksfeste mitzunehmen.
Die Leine darf nicht zu lang sein
Sogar die Länge der Leine ist mancherorts per Satzung geregelt: meist höchstens zwei Meter. Für große Hunde – teils ab 40 Zentimeter Widerrist oder 20 Kilogramm Gewicht – gilt Leinenpflicht sogar auf allen Straßen.
Nur angeleint durchs Treppenhaus
Vielerorts gilt die Leinenpflicht nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch auf privatem Gelände. Berlin und Schleswig-Holstein beispielsweise schreiben sie im Treppenhaus von Mehrfamilienhäusern und auf Wegen zu Wohnhäusern vor. Auch Wohneigentümer dürfen mit Mehrheit Leinenpflicht in Treppenhaus, Flur und Garten festlegen (Oberlandesgericht Hamburg, Az. 2 Wx 61/97). Sie dürfen aber auch das Gegenteil entscheiden. Das Landgericht Itzehoe sah kein Problem, als Wohneigentümer das Spielen mit Hunden auf dem Rasen erlaubten und andere sich darüber beschwerten (Az. 11 S 58/13).
Freiheit im Hundeauslaufgebiet
Als Ersatz weisen viele Städte und Gemeinden separate Auslaufgebiete aus, wo die Vierbeiner nach Herzenslust rennen können. Aber auch dort gilt zum Schutz von Wildtieren häufig während der Brut-, Setz- und Aufzuchtzeit Leinenzwang, in der Regel vom 1. April bis zum 15. Juli.
Spaziergänger in Sicht – was tun?
Wo in der freien Natur keine Leinenpflicht gilt, müssen Hundebesitzer ihren Liebling nicht automatisch zurückpfeifen und an die Leine nehmen, wenn Spaziergänger kommen. Es kommt darauf an, wie gut der Hund erzogen ist. Wenn er aufs Wort hört, zum Beispiel in einer Hundeschule war, und wenn er bei Begegnungen mit Fremden bisher nie aggressiv wurde, reicht es auf Feldwegen, ihn mit Befehlen und Zeichen zu führen (Oberlandesgericht Koblenz, Az. 12 U 1312/96). Dann muss man den Hund aber wirklich im Griff haben.
Quelle: Stiftung Warentest